O.L.G.A. Oldies leben gemeinsam aktiv

Projekttyp:

Wohnprojekte für Frauen (nicht nur) im Alter

Standort:

Nürnberg

Projektierungsbeginn:

1999

Fertigstellung/ Erstbezug

2004

Schwerpunkte:

(Modell)Projekt von älteren Frauen für SeniorInnen, mit einem Konzept für Pflegebedürftigkeit

Gartenseite mit neuen vorgestellten Balkonen (Foto: Dorothea Hoffmeister)
Erdgeschoss mit Gemeinschaftsraum und Rampe zum Laubengang
Projektbeteiligte:
Initiatorin:

Eine Gruppe von sieben älteren Frauen gemeinsam mit der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg mbH (wbg)

Eigentum:

Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg mbH (wbg)

Architektur:

Architekturbüro Semmer-Rammensee-Dietz, Nürnberg

Forschungsprojekt:

Prof’in Dr. Silvia Greiffenhagen, Evangelische Fachhochschule Nürnberg

Projektdaten

Umbau eines Wohngebäudes aus dem Jahr 1936 mit einer Gesamtwohnfläche von 635 m².

Umfang:
Wohnungen:

Aus zwölf vorhandenen Wohnungen entstanden: sechs 2-Zimmer- und sechs 3-Zimmer-Wohnungen von 47 m² bis 60 m²

Gemeinschaftsflächen:

Eine der Wohnungen wird als Gäste-/Gemeinschaftswohnung mit 44 m² genutzt.

Die vorgelagerte Grünfläche wurde in einen Garten (500 m²) umgewandelt.

Kosten/Mieten:

Kosten nach Ausschreibung: 970.000 €.

Anfangsmiete (2004): 6,20 €

Finanzierung:

Finanzierung 787.000 € Eigenmittel der wbg (einschließlich Wert des Grundstücks und Gebäudes).

Eine BGB-Gesellschaft (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, GbR), bestehend aus den BewohnerInnen, mietet das Gebäude gesamtschuldnerisch – ein bei der wbg bislang einmaliges Konstrukt – und regelt die Wohnraumvergabe sowie die Rechte und Pflichten im Innenverhältnis. Im Fall eines Leerstands tragen die Gesellschafterinnen die Kosten für die leer stehende Wohnung. Erst, wenn eine Wohnung länger als ein halbes Jahr leer steht, übernimmt der Vermieter die Kosten.

Im BGB-Vertrag ist zudem festgelegt, dass die Bewohnerinnen die Pflege der Außenanlagen in Eigenleistung erledigen.

8.000 € Zuschuss kamen von N-ERGIE Nürnberg, 175.000 € kamen als Zuschuss des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Frauen (BMFSF), das das Projekt als vorbildhaft und überregional beispielhaft einstuft. Diese Förderung führt zu einer Mietreduktion von 1,30 €/m² Wohnfläche.

Auf Fördermittel aus dem Bund-/Länderprogramm „Soziale Stadt“ wurde verzichtet, da sie an die Inanspruchnahme von Wohnungsbaufördermitteln gekoppelt gewesen wären und die damit verbundenen Einschränkungen bezüglich der Belegung und der Wohnungsgrößen usw. der Idee Selbstbestimmung entgegenstehen.

Ziele/Motivation:
Zielgruppen:

Das Projekt wurde ausschließlich von Frauen initiiert, angesprochen sind allerdings alle SeniorInnen, die Interesse an gemeinschaftlichem, selbstbestimmtem Wohnen im Alter haben.

BewohnerInnenstruktur:

Die Erstbezieherinnen sind aktive, selbständige ältere Frauen zwischen 57 und 74 Jahren (zum Zeitpunkt des Einzugs) – darunter die Initiatorinnen – eine heterogene Gruppe aus Frauen, die immer allein gelebt haben und, die größere Gruppe, aus Familienmüttern mit Kindern und Enkeln, Frauen mit einer hohen Altersversorgung und Bezieherinnen sehr geringer Renten.

Nicht alle Interessentinnen haben den langwierigen Entwicklungsprozess durchgehalten.

Männer sind nicht grundsätzlich unerwünscht, jedoch fanden sich nur Kandidaten mit „Versorgungsanspruch“, die der Konzeption der wechselseitigen Fürsorge und Unterstützung und der Gemeinschaftlichkeit eher befremdet gegenüber standen.

Zielsetzungen:

Die Idee der Initiatorinnen war es, bezahlbaren Wohnraum für den Lebensabschnitt „Alter“ zu schaffen, der eine unabhängige selbständige Lebensform in Gemeinschaft und alternativ zu herkömmlichen Wohnformen erlaubt – eine WG mit abgeschlossenen, barrierefreien Wohnungen und Gemeinschaftsbereichen. Verantwortung für sich und die Gemeinschaft ist der Gedanke, auf dem sie diese Lebensweise bis ins hohe Alter verwirklichen wollen.

Hilfeleistungen, praktische und psychosoziale Unterstützung sollen so lange wie möglich auf Gegenseitigkeit erbracht werden – dazu wurde z. B. ein gemeinsamer Pflegekurs besucht, was jedoch abgebrochen und auf den „Ernstfall“ verschoben wurde – zusätzliche ambulante Dienste sollen bei Bedarf selbst organisiert werden. Angedacht ist die gemeinsame Anstellung einer Pflegekraft bei erhöhtem Pflegebedarf mehrerer Bewohnerinnen. Zudem wurden Kontakte zu lokalen Diensten und Einrichtungen geknüpft, bspw. dem allgemeinen Sozialdienst und dem Betreuungsverein „Leben ist Verantwortung“. Im internen Vertrag ist zudem eine obligate Patientinnenverfügung festgelegt.

Voraussetzung, um diese Ziele zu erreichen, sind Aktivität und enge nachbarschaftliche Kontakte, sichergestellt zum einen durch die Organisationsform, die es ermöglicht, die MitbewohnerInnen nach Sympathie, Vertrauen und Motivation (und nicht nach Einkommen) zu wählen und alle das Haus betreffenden Angelegenheiten weitgehend selbst zu regeln. Sehr bewusst haben sich die Frauen für die Form der GbR entschieden, da sie am weitesten ihren Vorstellungen von Selbstorganisation und Freiwilligkeit entgegen zu kommen schien.

Zum anderen sollen gemeinsame Aktivitäten, kulturelle Unternehmungen, Kurse usw. die Lebensqualität heben und damit zum, auch gesundheitlichen, Wohlbefinden beitragen und nachbarschaftliche Nähe entstehen lassen.

Über das eigene Vorhaben hinaus unterstützen die Frauen auch Folgeprojekte mit ihren Erfahrungen, so auch eine Gruppe Alleinerziehender, die in eines der Nachbargebäude eingezogen ist.

Ihre Öffentlichkeitsarbeit hat zu einer ständigen Nachfrage von Besichtigungswünschen und Informationen geführt, die das Projekt zeitweise zu überfordern drohen.

Die wbg realisierte das Projekt als Modell für einen demografisch bedingten neuen Wohnungsbedarf und als Vorhaben unter dem neuen Markenzeichen HousingInnovativ. Sie ließ die Erfahrungen durch eine zweijährige, vom Land mitfinanzierte wissenschaftliche Begleitung auswerten.

Ausdrücklich ideell unterstützt wurde das Projekt auch von der Stadt Nürnberg.

Partizipation:

In den Planungsprozess hat die wbg die künftigen Mieterinnen von vorne herein intensiv einbezogen und in großem Umfang die Wünsche, so weit im Rahmen der baulichen Gegebenheiten und der Kosten machbar, umgesetzt. Sowohl bei der Grundrissentwicklung und den Ausstattungsvorstellungen für die einzelnen Wohnungen, als auch bei das Gesamtgebäude betreffenden Gestaltungsentscheidungen (z. B. die Gestaltung der Balkone und die Anlage der Gartenbereiche) wurden die künftigen Bewohnerinnen einbezogen und ihre Wünsche weitestgehend umgesetzt.

Die Gruppe hatte vom Beginn der Planungsphase an einen festen Ansprechpartner der wbg, der sie auch nach dem Einzug weiterhin begleitet und für Wünsche und Probleme ansprechbar ist.

Für die wbg ist die aufwändige Zusammenarbeit durchaus von Vorteil, da sie zum einen mit der Gruppe eine relativ stabile Mieterinnengemeinschaft hat, die verantwortungsvoll und sorgsam mit der Bausubstanz umgeht und durch die Selbstorganisation der wbg Verwaltungsaufwändungen erspart und zum anderen mit dem Projekt ein gelungener Beitrag zur Aufwertung des Quartiers erreicht wird. Das Risiko ist gering, da die Gestaltung der Wohnungen jederzeit eine Vermietung an „normale“ Mieter erlaubt.

Das Projekt entstand auf Initiative eines Teils der Mieterinnen. Das Wohn- und Betreuungskonzept haben die Initiatorinnen selbst, gemeinsam mit der wbg, innerhalb von ca. zwei Jahren entwickelt. Über die GbR verwalten die Bewohnerinnen selbst das Haus und entscheiden über Neuzuzüge. Mit InteressentInnen werden ausführliche Gespräche geführt und in mehrtägigen Kurzurlauben das spätere Miteinander geprobt.

Mitwirkung an der konzeptionellen Arbeit wird als selbstverständlich erwartet und die Teilnahme an den, in der Vorbereitungsphase monatlichen, nach Einzug 14-tägigen und seit 2006 wöchentlichen Gruppentreffen ist per Gesellschaftsvertrag verpflichtend.

Auch evtl. notwendig werdende Pflegedienste und Hilfen von außen wollen die BewohnerInnen selbst organisieren.

Zur Unterstützung im ungewohnten Umgang mit Konflikten und belastenden Pflegesituationen soll ggf. eine (zeitlich begrenzte) Supervision und Mediation in Anspruch genommen werden – ein erster Supervisionsversuch wurde allerdings nach wenigen Sitzungen wieder aufgegeben, da er sich als noch nicht sinnvoll erwies.

Die Einbindung der Projektbeteiligten und die Unterstützung der Entwicklungsprozesse sind u. a. auch Ziele der wissenschaftlichen Begleitung durch die FH gewesen. Als Teil der Studie besteht die Option, Langzeitauswirkungen des Wohnmodells in vierteljährlichen Abständen zu überprüfen.

Architektur/Städtebau:
Lage:

Das Wohngebäude, ein Zeilenbau aus dem Jahr 1936, liegt in einer gewachsenen Wohnumgebung, dem Wohnquartier „Nordostbahnhof“, in einem Fördergebiet des Programms „Soziale Stadt“. Mit fußläufig erreichbaren Läden, Arztpraxen, sozialen Einrichtungen und einem Krankenhaus und guter Anbindung an den ÖPNV bietet das Quartier eine für das Projekt im Prinzip passende Infrastruktur.

Gebäude:

Der schlichte 3-geschossiger Putzbau wurde umfangreich saniert – Heizsystem, Sanitäreinrichtungen und Elektro-Installationen wurden erneuert. Die Wohnungsgrundrisse wurden nach individuellen Wünschen variiert, konnten jedoch aus Kostengrunden nicht, wie ursprünglich gewünscht, zu größeren Wohnungen zusammengelegt/erweitert werden. Auch ein Dachausbau konnte aus Kostengründen nicht verwirklicht werden.

Die Wohnungen, insbesondere auch die Nasszellen, wurden seniorInnengerecht/barrierefrei ausgeführt. Mit vorgestellten Balkonen auf der einen Seite hat jede Wohnung einen privaten Freibereich. Auf der anderen Seite entstand ein halböffentlicher Bereich durch die Laubengänge, die zur barrierefreien Erschließung neu angebaut wurden und an einen Aufzug angebunden sind. Die internen Treppenhäuser entfielen zugunsten der Wohnungen. Eine Haustelefonanlage mit einer internen Notrufeinrichtung zur Unterstützung des Hilfe- und Versorgungskonzepts war geplant, wurde jedoch nicht realisiert.

Außenanlagen:

Von der Gemeinschaftswohnung aus ist der Garten ebenerdig zu betreten.

Das für diesen Wohnungsbautyp charakteristische Abstandsgrün wurde in einen Garten verwandelt, der auf der Südwestseite ausschließlich den Bewohnerinnen zur Verfügung steht, während der nordöstliche Durchgangsbereich eine halböffentliche Zone ist, die Kontaktaufnahme zu NachbarInnen und PassantInnen ermöglicht.

Chronik

1999: erste Überlegungen des Aufsichtsrates der wbg zu einem derartigen Projekt – unter dem Vorbehalt, dass sich eine entsprechende Personengruppe findet

2000: Kontaktaufnahme der Initiatorinnen zur wbg

2002: ein Objekt war gefunden, die Planung abgestimmt und im September wurde ein Vertrag abgeschlossen

2003: Baubeginn und Beginn der Wissenschaftlichen Begleitung (bis 2005)

Sommer 2004: offizielle Einweihung

Entwicklung seit Beginn:

2006: Endbericht Wissenschaftliche Begleitung

Umsetzung feministischer Planungskonzepte im Projekt

• Schaffung von (bezahlbarem) Wohnraum für eine unabhängige selbständige Lebensform bis ins hohe Alter

• Bewohnerinnenmix (nach Einkommen, persönlicher Geschichte)

• intensive Beteiligung am Planungsprozess

• Selbstverwaltung (Entscheidungsfindung (möglichst) nach dem Konsensprinzip, Verteilung der Aufgaben für die Gemeinschaft nach Neigung)

• Starke Gemeinschaftsbetonung

• Gegenseitige Hilfeleistung und psychosoziale Unterstützung

• vielfältige Grundrisse

• Barrierefreiheit und zusätzliche Hilfseinrichtungen

• Gemeinschaftswohnung und -garten

• Öffnung nach außen und Einbezug der Nachbarschaft durch räumliche Öffnung und Aktivitäten

• Unterstützung von Projekten mit ähnlichen Zielen

• gute Infrastruktur und ÖPNV-Anbindung

Quellen:

Institut für Sozialforschung und Sozialplanung (2006): Wohnprojekt „OLGA“, Oldies Leben Gemeinsam Aktiv. Endbericht der Begleitforschung 2003-2005, Stuttgart

Projekt OLGA, Website: www.wohnprojekt-olga.de (Zugriff April 2007)