Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter München, Pasing
Wohnprojekte für Frauen (nicht nur) im Alter
München
1985
1997
Selbstinitiiertes Projekt (ehemals) berufstätiger Frauen mit Multiplikatorinnenzielen, realisiert von der ev. Kirche
Frauen, die sich bei FRAU IM BERUF im Evangelisch Lutherischen Dekanatsbezirk trafen
Evang.-Luth. Landeskirche in Bayern
FRAU IM BERUF im Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk München (inzwischen aufgelöst) und Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V.
Antje Henckmann
Projektdaten
Erstes von bisher zwei Projekten des Vereins Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V.
Acht Apartments mit Größen von 40 m² bis 56 m² im Rahmen eines frei finanzierten Wohnungsneubaus mit insgesamt 12 Wohnungen.
Im Erdgeschoss steht der Wohngruppe ein 28 m² großer Gemeinschaftsraum mit Pflegebad und Küche zur Verfügung. Der Raum kann auch zur Unterbringung von Gästen genutzt werden.
Miethöhe zum Zeitpunkt des Bezugs: 14 DM/m² Wohnfläche (Kaltmiete). Inzwischen gab es eine moderate Mieterhöhung. Nach dem Auslaufen der städtischen Förderung (nach 15 Jahren) ist eine erhebliche Mieterhöhung zu erwarten.
Das Gebäude wurde aus Mitteln des Versorgungsfonds der Evang.-Luth. Kirche in Bayern finanziert. Die Betriebskosten des Gemeinschaftsraums wurden zunächst von der Dienststelle FRAU IM BERUF getragen, seit deren Auflösung zahlen die Bewohnerinnen diese Kosten selbst. Die Einrichtungskosten wurden je zur Hälfte von FRAU IM BERUF und dem Förderverein Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V. getragen.
Das Projekt wurde mit Mitteln der Stadt München als Modell gefördert.
Der Förderverein Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V. trägt die Kosten der Supervision der Gruppe, sowie einen etwaigen Mietausfall beim Wechsel von Bewohnerinnen.
Allein stehende, ehemals berufstätige Frauen im Rentenalter.
Die Erstbezieherinnen waren zwischen 59 und 77 Jahre alt, wobei die Hälfte das 75. Lebensjahr überschritten hatte.
Das Projekt wurde im Rahmen der Erwachsenenbildungsarbeit von FRAU IM BERUF, einer Dienststelle der Evang.-Luth. Kirche für allein lebende berufstätige Frauen, von Teilnehmerinnen entwickelt, die sich Gedanken machten, dass allein stehende Frauen mit dem Eintritt ins Rentenalter ihre alltäglichen Kontakte aus der Berufstätigkeit verlieren und ihre sozialen Kontakte neu ordnen müssen. Ziel war ein gemeinsames Wohnen in einer Nachbarschaft, in der gegenseitige Hilfestellung und gemeinsame Unternehmungen mit Kontaktpflege möglich sind. Damit sollte auch die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme professioneller Hilfe reduziert werden. Neben der Gemeinschaft, die gegenseitige Hilfe, Geselligkeit und Wärme bietet, sind für die Bewohnerinnen aber auch Privatheit und die Möglichkeit des Rückzugs in die eigene Wohnung für die Beteiligung am Projekt unabdingbare Voraussetzung, was sich auch in der Änderung des Namens des Fördervereins spiegelt: Der ursprüngliche Name „Zusammenleben im Alter“, vielfach assoziiert mit dem Wohnen in einer Wohngemeinschaft, wurde in „Nachbarschaftlich leben im Alter“ umgewandelt.
Der Förderverein Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V. koordiniert die Gruppen, macht Medienarbeit und sucht die neuen Mitfrauen aus. Wenn sich aus dem Verein heraus eine neue Gruppe bildet – inzwischen sind im Förderverein zwei weitere Gruppen mit deutlich jüngeren Frauen aktiv – sucht der Vorstand Wohnungen, indem er mit Bauträgern in Kontakt tritt.
Auf Grund der großen Nachfrage wurde ein zweite Projekt entwickelt, denn die Grundidee des Vereins spricht viele Frauen an, gerade jene, die verheiratet waren und jetzt unabhängig sein möchten. Zunehmend treten geschiedene und verwitwete Frauen in den Verein ein. Ihre Vorstellung ist, im Alter nicht allein zu sein, aber auch nicht in ein Altenheim gehen zu müssen. Sie wollen in ihrem Wohnumfeld helfen und die Gewissheit haben, dass auch ihnen im Krankheitsfall oder bei anderer Gelegenheit geholfen wird. Die Grundidee: Hilfe anbieten und Hilfe annehmen wird von allen gut geheißen.
Die Wohngruppe war während der insgesamt elfjährigen Vorlaufzeit in allen Stadien an der Projektentwicklung beteiligt. Die regelmäßigen Treffen fanden bei FRAU IM BERUF statt.
Durch ihre Beteiligung an der Grundriss- und Gebäudeplanung konnten die zukünftigen Bewohnerinnen der Wohngruppe Änderungen durchsetzen (s. u.), allerdings fielen manche gewünschten Maßnahmen dem Kostendruck zum Opfer. So sind die Wohnungen nach Einschätzung der Bewohnerinnen im Pflegefall nicht geeignet, weil die Bewegungsfläche im Bad zu klein ist, womit ein Verbleiben in der Wohnung bis zum Tod nicht für alle Bewohnerinnen möglich sein wird.
Ein weiteres Problem bestand in der durch die sehr lange Vorlaufzeit bedingten Fluktuation der Gruppe, die bis kurz vor Bezug der Wohnungen anhielt.
Das Vorschlagsrecht über die Neubelegung der Wohnungen liegt bei der Wohngruppe, wobei nur Mitfrauen des Fördervereins einziehen können. Der Förderverein gibt das Freiwerden einer Wohnung vereinsöffentlich bekannt und fordert die Vereinsmitglieder zur Bewerbung auf. Die von der Gruppe ausgewählte Frau wird der Vermieterin (Ev. Kirche) vorgeschlagen, die den Mietvertrag ausstellt.
Das viergeschossige Gebäude schließt eine innerstädtische Baulücke in München-Pasing, einem Stadtteil mit gewachsenem Ortskern, sehr guten Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten (Ärzte, Krankenhäuser, Gaststätten, Kultureinrichtungen, Schwimmbad). Der Pasinger Stadtpark und die Auen der Würm sind zwei Straßenzüge vom Projektstandort entfernt, die Innenstadt von München kann im 10-Minutentakt mit der S-Bahn, Straßenbahn oder dem Bus in einer Viertelstunde erreicht werden.
Der Putzbau hat zur Straße hin Loggien mit geschwungenen Brüstungen, ein durchlaufender Erker erweitert die kleinen Schlafräume der mittleren Wohnungen.
Die kleineren Apartments haben innenliegende Duschbäder und Küchen mit Fenster. Wünsche der Bewohnerinnen, bspw. der Ersatz einer Schlafnische und einer offenen Küche durch abgetrennte Schlafzimmer und Küchen wurden umgesetzt. Auch wurde auf Bewohnerinnenwunsch die ursprünglich geplante Glaswand zwischen dem Treppenhaus und dem (der Wohngruppe vorbehaltenen) Gemeinschaftsraum durch eine undurchsichtige Wandkonstruktion ersetzt.
Die Erschließung der Wohnungen erfolgt über ein geräumiges verglastes Treppenhaus mit Sitzgelegenheit auf jeder Etage (die jedoch bisher nur wenig genutzt wird).
Der Gemeinschaftsraum der Wohngruppe liegt im Erdgeschoss und bietet einen direkten Zugang zum Garten.
Aus Kostengründen wurde nur alten- statt behindertengerecht gebaut, z. B. Bäder nicht pflegegeeignet. Auch wurde ein für Sehbehinderte geeigneter Treppenbelag erst nachträglich eingebaut.
Den Garten teilen sich die Gruppenfrauen mit den anderen MieterInnen.
1985: Veranstaltung im Rahmen des Bildungsprogramms von FRAU IM BERUF München zur Wohnsituation von Frauen im Alter, auf der ca. 20 Teilnehmerinnen einen losen Kreis von Interessierten für ein Wohnprojekt bilden
1985: Beginn von Verhandlungen von FRAU IM BERUF mit dem Evangelischen Siedlungswerk, der Inneren Mission und der Stadt München um eine Neubebauung eines von der Stadt München in Erbpacht vergebenen Grundstücks im Münchner Westend, die sich bis ins Jahr 1991 hinziehen
1986: Gründung einer festen Wohngruppe, die sich regelmäßig im Rahmen des Bildungsprogramms von FRAU IM BERUF trifft
1988: Entwicklung des Modellprojekts „Zusammenleben im Alter“ (später geändert in „Nachbarschaftlich leben im Alter“), mit dem bei Politik und Kirche auf lokaler und überlokaler Ebene um Unterstützung geworben wird
1991: Zustimmung des Stadtrats zur Realisierung des Projekts im Westend. Die letztlich versagte Finanzierungszusage der Inneren Mission führt jedoch schließlich zur Nichtberücksichtigung des Projekts bei dem Bauvorhaben im Westend
1992: Zustimmung der Evangelischen Landessynode Bayern zu einem Antrag auf Finanzierung eines Mietwohnungsbaus für das Modellprojekt und andere Mietparteien
1993: Das Modellprojekt wird in ein Neubauvorhaben des Evang.-Luth. Landeskirchenamts einbezogen
Oktober 1995: Baubeginn
1991: Der Fördervereins Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter e. V. wird als gemeinnützig anerkannt
Februar 1997: Fertigstellung und Einzug
Ein zweites Projekt wurde realisiert, eine dritte Gruppe ist im Aufbau. In dieser haben sich Frauen mit akademischem Abschluss im Alter ab 48 Jahren gefunden, die ihr Leben weit blickend planen möchten. Da fast alle noch berufstätig sind, können sie wegen der Einkommensgrenzen das München Modell nicht in Anspruch nehmen, doch erwarten die Frauen wegen Scheidung und Berufsunterbrechungen eine geringe Rente. Für das dritte Projekt muss deshalb eine neue Konzeption entwickelt werden.
Die Realisierung weiterer Projekte scheiterte nach Aussagen des Fördervereins bisher auch am fehlenden Angebot an (neuen) Mietwohnungen, da sich der Wohnungsbau in München sehr stark auf Eigentumsmaßnahmen konzentriert und München mit die höchsten Mieten in Deutschland hat, was für Rentnerinnen besonders belastend ist.
• Schaffung von Wohnraum für ehemals berufstätige Frauen im Alter
• Partizipation
• Beteiligung an der Belegung der Wohnungen
• nachbarschaftliches Leben mit Rückzugsmöglichkeiten
• gegenseitige Hilfeleistungen der Bewohnerinnen
• Gemeinschaftsraum und -gartenbereich
• Gemeinschaftspflegebad
• Kommunikative halböffentliche Bereiche (Treppenhaus und Garten)
• sehr gute Infrastruktur und ÖPNV-Anbindung
Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter München, Schwabing|34
Interview mit Dr. Christa Lippmann, Vorsitzende des Fördervereins Nachbarschaftlich Leben für Frauen im Alter e. V.
Henckmann, Antje (1998): Aufbruch in ein gemeinsames Altern. Neue Wohnformen im Alter am Beispiel des Modellprojektes „Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter“. Herausgegeben von FRAU IM BERUF im Evangelisch-Lutherischen Dekanatsbezirk München. (Zu beziehen über Förderverein Nachbarschaftlich leben für Frauen im Alter)