Alten-WG am Goldgraben
Wohnprojekte für Frauen (nicht nur) im Alter
Göttingen
1989
1994
Von SozialarbeiterInnen initiierte Alten-Wohngemeinschaft in einer städtischen Villa
Freie Altenarbeit Göttingen e. V.
Stadt Göttingen
Michael Tihl, Göttingen
Stadt Göttingen, Land Niedersachsen
Projektdaten
Gesamtprojekt
Das Projekt befindet sich in einer renovierten, unter Denkmalschutz stehenden Jugendstilvilla mit einer Nutzfläche von 1.000 m².
Zehn 2-Zimmer-Wohnungen in einer Größe von 29 m2 bis 46 m2
Gemeinschaftsräumen unterschiedlicher Nutzung (eine große Wohnküche, ein Mehrzwecksaal, eine Bibliothek) mit insgesamt 335 m2 sowie einem Gästeapartment.
Der Trägerverein mit eigenen Gruppen-, Veranstaltungs- und Büroräumen befindet sich als elfter Mieter im Souterrain des Hauses.
Die Gesamtkosten für Umbau und Sanierung betrugen 1,7 Mio. DM.
Anfangsmiete, warm (1994): zwischen 640 DM und 1.110 DM pro Wohneinheit. Zusätzlich zahlte jedes WG-Mitglied nach Selbsteinschätzung (anfangs) zwischen 40 DM und 150 DM in den Fond für Gemeinschaftsaufgaben (Garten, Hauspflege, Anschaffungen etc.). Außerdem gibt es einen Sozialfonds aus Mitteln der Bewohnerinnen, mit dem einzelne Bewohnerinnen in Zeiten außerordentlicher Belastung unterstützt werden können. Für die Finanzverwaltung des Hauses (der einzigen Regiearbeit des Trägers) zahlt die WG pro Jahr insgesamt 3.300 DM.
Die Stadt Göttingen stellt das Gebäude für zunächst 25 Jahre mietfrei zur Verfügung, mit einer Verlängerungsoption für den Träger.
Die Baumaßnahme wurde vom Land Niedersachsen, dem Deutschen Hilfswerk/ARD-Lotterie „Die Goldene Eins“ und Firmenspendern unterstützt. Für das Kapitalmarktdarlehen hat die Stadt Göttingen eine Bürgschaft übernommen.
Alte Frauen, vorrangig aus Göttingen.
Dem weithin herrschenden Versorgungsdenken mit seinem auf Passivität älterer Menschen hin orientierten Handlungssystem soll ein Modell entgegengesetzt werden, das durch Selbstbestimmung, Selbstorganisation und gegenseitige Hilfe gekennzeichnet ist. Nicht die „Defizite”, sondern die vielfältigen Ressourcen alter Menschen sollen genutzt werden. Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der alten Frauen sollen bewahrt bleiben und das Projekt in ein umfassendes Konzept generationenübergreifender, offener Arbeit eingebettet werden. Das Projekt ist ein Mosaikstein auf dem Weg von der ‚Einfalt‘ zur Vielfalt in der Altenhilfe und soll Beispiel sein für andere Initiativen, eigene Vorstellungen zu entwickeln und umzusetzen.
Mit einem „Erzählcafé“ und der Einrichtung altersgemischter Gruppen z. B. zum Thema „Frauen im Alter“ und „Zeitzeuginnen“, Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskursen (Wendo-Kurse) für ältere und jüngere Frauen öffnet sich das Projekt nach außen.
Der Verein Freie Altenarbeit wurde im Jahr 1986 von AusbildungsteilnehmerInnen der örtlichen Altenpflegeschule und engagierten Göttinger BürgerInnen gegründet. Zu seinen wichtigsten Aktivitäten zählen eine Sozialstation, offene Arbeit zwischen Alt und Jung, europäische Pilotprojekte und die Alten-WG Am Goldgraben.
Seit Ende 1992 fanden mindestens einmal pro Woche regelmäßige Treffen der Mietinteressentinnen zur Mitplanung und Mitgestaltung statt. Unterstützt wurde der Prozess der Selbstorganisation der Gruppe durch eine Psychologin, die über eine ABM-Maßnahme finanziert wurde. Die Mieterinnengruppe konnte sowohl bei den technischen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen, als auch bei der Einrichtung der Gemeinschaftsräume mitberaten und -entscheiden. Das Projekt wird durch die Wohngemeinschaft, die sich auf einer Vollversammlung einmal wöchentlich trifft, selbstverwaltet. Über die Aufnahme neuer Mieterinnen wird von der Bewohnerinnengruppe unter Beachtung sozialer Kriterien entschieden.
Die Jugendstilvilla befindet sich in zentrumsnaher, aber trotzdem ruhiger Lage etwa 500 m von der Innenstadt und 300 m vom Deutschen Theater entfernt. Es bestehen vielfältige Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten in der Nähe und eine gute Anbindung an den ÖPNV.
In der 1908 erbauten, denkmalgeschützten Villa wurden durch den Umbau zehn kleine 2-Zimmer-Wohnungen mit einem kleineren Schlafzimmer und einem größeren Wohnraum, Kochnische, Flur sowie einem Duschbad eingerichtet.
Die Villa ist umgeben von einem parkähnlichen Garten.
1989: Der „Freie Altenarbeit Göttingen e. V.“ beginnt Diskussion um bedürfnisgerechte Formen des Wohnens im Alter
1992: Die Stadt Göttingen stellt dem Projekt die Villa zur Verfügung; die Gruppe der zukünftigen Bewohnerinnen beginnt ihre regelmäßigen Treffen
1993: Beginn der Sanierung und des Umbaus der Villa
1994: Fertigstellung und Bezug
• Begründung von neuen Lebens-/Wohnformen von Frauen im Alter
• Partizipation
• Selbstverwaltung/Selbstorganisation
• Öffnung nach außen („Erzählcafé“ und altersgemischte Kurse)
• Unterstützung von Gruppen mit ähnlichen Zielen
• Räume zur gemeinschaftlichen Nutzung
• Gute Infrastruktur- und ÖPNV-Anbindung
Freie Altenarbeit Göttingen e. V. (Hg.) (1996): Ein Verein wird zehn Jahre – blicke, rückblicke, anblicke, einblicke, überblicke, ausblicke, 1986-1996. Göttingen
Freie Altenarbeit Göttingen e. V. (Hg.) (o. J.): Wir öffnen uns, Faltblatt. Göttingen
Jasper, Michael (1997): Alten-WG Am Goldgraben in Göttingen – Risiko und Gewinn von Selbstorganisation im Alter – Vortrag auf dem Journalistenforum des BHW zum Thema „Wohnen im Alter“ vom 9. bis 10. Mai 1996 in München. Herausgegeben von der Freien Altenarbeit e. V., Göttingen
Osterland, Astrid (2000): Nicht allein und nicht ins Heim. Alternative: Alten-WG. Herausgegeben von der Freien Altenarbeit Göttingen e. V. und der Eva-Meurer-Stiftung, Paderborn