Wohnprojekt Kendelhof

Projekttyp:

Frauengerechter Wohnungsbau

Standort:

Kempen

Projektierungsbeginn:

1994

Fertigstellung/ Erstbezug

2004

Kontakt:

Klaus Mainz/ Dipl. Ing. Architekt Ademola Segun, Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen AG

www.gwg-kreis-viersen.de

Schwerpunkte:

Projekt für einkommensschwache Haushalte, das vielfältige Lebensformen integriert, mit umfangreicher Beteiligung von Initiatorinnen und künftigen Bewohnerinnen

Die privaten Terrassen gehen in das Gemeinschaftsgrün über
Ebenerdige Wäscheräume zwischen je zwei Wohnungsblöcken (Quelle: GWG, Viersen)
Wohnungsbeispiel mit wahlweise integrierbarer bzw. abtrennbarer Küche (Quelle: GWG, Viersen)
Projektbeteiligte:
Initiatorin:

Der Verein Frauen bauen e. V. (20 Frauen, zum Großteil aus dem politischen bzw. sozialen Umfeld der Stadt Kempen, aus unterschiedlichen Erfahrungsbereichen mit vielfältigen Fähigkeiten und Kontakten).

Eigentum:

Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen AG

Architektur:

Udo Thielen, Kempen, Karin Drabben, Landschaftsarchitektin (Freiraumgestaltung)

Projektentwicklung:

Frauen Bauen e. V., Kempen (Konzeption und Projektbegleitung); Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kempen, Beate Czarnetzki

Sonstige Beteiligte:

Angelika Simbriger, Klaus-Novy-Institut (Moderation Bewohnerinnenbeteiligung)

Umfang:
Projektumfang:

Wohnungsneubau mit einer Gesamtwohnfläche von ca. 1.750 m² auf einem 2.500 m² großen Gelände.

Wohnungen:

22 Mietwohnungen mit Wohnungsgrößen zwischen 45 m² und 105 m², davon fünf 2-Zimmer-Wohnungen, zehn 3-Zimmer, sechs 4-Zimmer-Wohnungen und eine 5-Zimmer-Wohnung. Die EG-Wohnungen sind barrierefrei.

Gemeinschaftsflächen:

Ein Gemeinschaftsraum mit 47 m². Dieser entspricht im Grundriss einer Ein-Personen-Wohnung und kann gegebenenfalls in eine solche umgewandelt werden.

Außenanlagen mit Spielmöglichkeiten und Treffpunkt kommen hinzu.

Kosten/Mieten:
Finanzierung:

Die Wohnungen sind mit Mitteln des Sozialen Wohnungsbaus gefördert (1. Förderweg).

Die Finanzierung des Beteiligungsverfahrens erfolgte zu 80 % durch eine Förderung des Landes NRW, die restlichen 20 % musste der Verein Frauen bauen e. V. aufbringen.

Ziele/Motivation:
Zielgruppen:

Einkommensschwache Haushalte.

Bei der vorangegangenen Bedarfsanalyse wurde ermittelt, dass insbesondere allein erziehende Frauen Schwierigkeiten hatten, adäquate Wohnungen zu finden. Daher galt dieser Gruppe bei der Planung und Vermarktung besondere Aufmerksamkeit. Um Synergieeffekte zu fördern, wurde eine Mischung angestrebt, so dass auch Zwei-Eltern-Familien und Singles in die Planung mit einbezogen wurden.

Die starke Nachfrage nach Wohnungen für Alleinerziehende auch nach der Fertigstellung, aber auch zunehmend von älteren allein stehenden Frauen, bestätigt die Notwendigkeit von Wohnungen für diese Gruppen.

BewohnerInnenstruktur:

ErstbezieherInnen waren 31 Erwachsene und 30 Kinder und Jugendliche zwischen 0 und 78 Jahren (Stand 2005), darunter drei Alleinlebende, sechs Alleinerziehende mit einem Kind, drei Alleinerziehende mit zwei Kindern, eine Alleinerziehende mit drei Kindern, ein Paar ohne Kinder und acht Paare mit ein bis drei Kindern.

Zielsetzungen:

Ziel der Initiatorinnen war es, ein Wohnprojekt von hoher baulicher und sozialer Qualität für einkommensschwache Haushalte zu bauen unter Beteiligung der zukünftigen MieterInnen. Der „Kendelhof“ soll vielfältigen Lebensformen ein Zuhause bieten, generationenübergreifend, allein oder in Familie lebend, und offen für Menschen mit Behinderungen sein.

Ziel war es, bedarfsgerechten Wohnraum mit guter Infrastruktur für Haushalte zu schaffen, die auf dem freien Wohnungsmarkt geringe Chancen haben. Dazu gehören auch und vor allem allein erziehende Frauen.

Neben den baulichen Qualitäten, wie beispielsweise Grundrissen, die in einer Zwei-Personen-Wohnung auch zwei Schlafzimmer ermöglichen, wurde auf die sozialen Qualitäten besonderer Wert gelegt.

Das Projekt bietet Möglichkeiten zur Kommunikation im Innen- und Außenbereich: Flure und Eingänge, die zum Aufenthalt einladen, den Gemeinschaftsraum und Gemeinschaftsflächen im Garten. Es entstanden Möglichkeiten für haushaltsübergreifende Zusammenarbeit, z. B. im Bereich der Kinderbetreuung. Dadurch können Freiräume entstehen, die für berufliche Perspektiven (Ausstieg aus Abhängigkeiten wie z. B. Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II) genutzt werden können.

Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Gemeinschaftsraum. Mit einer Größe von 47 m² und der attraktiven Lage im Erdgeschoss wird er ausgiebig und vielfältig genutzt: Versammlungen der MieterInnen – so das „Freitagstreffen“, das zum festen Bestandteil der Gemeinschaft geworden ist – als Ort für Feierlichkeiten, für gemeinsames Kochen, Kinderbetreuung, als Gästewohnung, für kulturelle Veranstaltungen u. v. m.

Partizipation:

Grundlage der Bebauung im Sinne des Vereins Frauen bauen e. V. war ein Kooperationsvertrag mit der GWG, der auf einem vom Verein erarbeiteten Anforderungsprofil basierte und die Mitsprache hinsichtlich Belegung, Planungsverfahren und Beteiligungsverfahren regelte.

Die GWG, in deren Interesse es lag, die Zufriedenheit in und die Identifikation mit dem Wohnprojekt zu fördern, hat ein umfangreiches Beteiligungskonzept erarbeitet und die künftigen MieterInnen, auch die MietinteressentInnen, frühzeitig in die Planung eingebunden. Ihre positiven Erfahrungen mit diesem Verfahren führten die GWG zur Bereitschaft, sich künftig auch den Anforderungen veränderten Wohnens zu stellen.

Die MieterInnen konnten Grundriss- und Ausstattungsvarianten für ihre eigenen Wohnungen ebenso mitbestimmen wie die Gestaltung (und ggf. Pflege) der gemeinschaftlich zu nutzenden Bereiche: des Gemeinschaftsraumes und der Freiflächen. Für den Betrieb des Projekts haben sich die BewohnerInnen eine Gemeinschaftsordnung erarbeitet.

Auch bei der Vergabe der Wohnungen bestand ein Mitspracherecht. Dazu wurde eine Belegungskommission unter Federführung der Gleichstellungsbeauftragten gebildet, zusammengesetzt aus VertreterInnen der Stadt Kempen, der GWG und des Vereins „Frauen bauen e. V.“, wobei die Vorauswahl dem Verein überlassen wurde. Interessierte wurden regelmäßig zu Workshops eingeladen, die Teilnahme zur Voraussetzung für die spätere Wohnungsvergabe gemacht.

Architektur/Städtebau:
Lage:

Der „Kendelhof“ ist Teil des Neubaugebietes Velbuschpfad im Ortsteil St. Hubert. „Nah am Zentrum – aber mitten im Grünen“ wurden auf dem Areal zwischen Bellstraße, Königsstraße und Hahnendyk in zwei Bauabschnitten insgesamt 200 Wohneinheiten errichtet. St. Hubert ist ländlich geprägt und verfügt über einen Ortskern mit Kirche, Grundschule, Kindergärten, Sport- und Kulturstätten, ärztlicher Betreuung, SeniorInneneinrichtung, Geschäften des täglichen Bedarfs und guter Anbindung zum öffentlichen Nahverkehr.

Gebäude:

Das 3,5-geschossige Gebäude des Projekts gliedert sich in drei, durch niedrigere Zwischenbauten verkettete Einzelhäuser.

Die unterschiedlich gestalteten Wohnungsgrundrisse wurden besonders unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien und älteren Menschen organisiert. Sie haben weitgehend nutzungsneutrale, annähernd gleich große Räume, die den Bedürfnissen verschiedener Haushaltstypen gerecht werden und jedem Haushaltsmitglied einen eigenen Raum ermöglichen sollen. Bäder und Küchen sind natürlich belichtet und von den Küchen ist ein kleiner Balkon, im EG eine Terrasse zugänglich.

Die Wohnungen und das Wohnumfeld sind kinderfreundlich gestaltet.

Mit barrierefreien Zugängen und EG-Wohnungen wird die Integration alter und behinderter Personen unterstützt.

Außenanlagen:

Neben dem privaten Freibereich für jede Wohnung gibt es halböffentliche Bereiche, etwa die „Bank vor der Tür“, die Kommunikationswünsche signalisiert, sowie allen Bewohnern zugängliche, von einer Landschaftsarchitektin gestaltete, Bereiche: eine größere Pflasterfläche als Erweiterung des Gemeinschaftsraumes im Freien, Grünflächen vor den EG-Terrassen und, als Besonderheit, ein unter Beteiligung der Kinder gestalteter Spielplatz.

Fahrradunterstell- und Müllsammelplätze sind als Barriere zwischen Grünfläche und Straße angeordnet.

Chronik

April 1994: Fachtagung (in Düsseldorf) zum Thema „Frauen planen ihre Stadt, Stadtentwicklungs-, Verkehrs- und Wohnraumplanung aus weiblicher Sicht“

März 1996: Zukunftswerkstatt „Frauen planen ihre Stadt“ von VHS und Gleichstellungsstelle, aus der der Arbeitskreis „Frauen bauen“ entstand. Danach Besichtigung verschiedener Projekte

Herbst 1996: Option auf ein Grundstück von der Stadt Kempen

Sommer 1997: Bereitschaft der GWG, in das Projekt zu investieren

Februar 1998: Gründung des Vereins „Frauen bauen e. V.“

Januar 1999: Antrag des Vereins „Frauen bauen e. V.“ an die Stadt Kempen auf Vergabe eines Grundstücks

Mai 1999: Beschluss der Stadt Kempen über die Grundstücksvergabe

Oktober 1999: Kooperationsvereinbarung mit der GWG (aufgrund eines vom Verein Frauen bauen e.V. entwickelten Anforderungsprofils)

Februar 2002: Erteilung der Baugenehmigung

Juli 2002: erste Infoveranstaltung des Vereins für InteressentInnen

Oktober 2002: Beginn des Beteiligungsverfahrens

Januar 2004: Einzug

Umsetzung feministischer Planungskonzepte im Projekt

• Nutzungsneutrale, möglichst gleichwertige Räume

• Barrierefreiheit zur Integration alter und behinderter BewohnerInnen

• Strapazierfähiger Familienraum (Wohnküche) mit Balkon oder Ausgang zum Garten und reichlich Abstellraum

• Kinderfreundliche Gestaltung der Wohnungen und des Wohnumfeldes

• Attraktive Gestaltung und Lage der Waschküchen im EG

• Qualitätvolle, kommunikationsfördernde Freibereiche

Quellen:

Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen AG (GWG) (o. J.): Frauen Bauen, Dokumentation eines Wohnprojektes. Kendelhof – Wohnen in guter Nachbarschaft. Broschüre (o. J.)

Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen Aktiengesellschaft, Geschäftsbericht 2004, S. 5

GWG, Website: www.gwg-kreis-viersen.de/PDF/GWG_GB_2004 (Zugriff April 2007)

Zweckverband Großraum Braunschweig (ZGB)/Universität Hannover, Fakultät Architektur + Landschaft, Planungs- und Architektursoziologie (Hg) (2005): goodpractices. Praxisbeispiele zum Thema Wohnen und Versorgung. www.zgb.de/barrierefrei/misc/downloads/goodpractices.pdf